Die Geschichte Der Siebenbürger Sachsen
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Auszüge, aus:
- Geschichte der Siebenbürger Sachsen, von Ernst Wagner.
- 6., erweiterte Auflage 1990, ( ISBN 3-85373-3055-8 )
- Die Ansiedlung von Deutschen
- Sie erfolgte unter König Geisa II. (1141 - 1162) im Zuge der
Verlegung der Verhausäume von der Mieresch- an die Altlinie,
auf dem bisherigen Grenzödland, über das der König frei verfügen konnte.
Gleichzeitig wurden die bis dahin dort wohnenden Szekler
als Grenzwächter ins heutige Szeklerland umgesiedelt.
Noch vor hundertfünfzig Jahren hatten die sächsischen
Geschichtsschreiber eine viel imponierendere Vorstellung
von der Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen. Sie meinten,
dass etwa 300.000 Deutsche aus eigenem Antrieb ins ferne
Siebenbürgen zogen, in ein ödes, menschenleeres Gebiet,
wo es nur Bären, Wölfe und Luchse gab und wo sie sich nach
Belieben die besten Gebiete zur Besiedlung aussuchen konnten.
Dort hätten sie auf Anhieb mehrere hundert Dörfer gegründet
und ihre Zahl sei erst durch die vielen Kriege mit Tataren und
Türken vermindert worden. In dieser Vorstellung fiel dem
ungarischen König als dem Landesherrn eine fragliche Rolle zu.
Die Wirklichkeit sieht viel prosaischer aus: Die Siedler kamen
nicht als Eroberer, sondern wurden vom ungarischen König als
dem Landesherrn gerufen, der ihnen auch ihr Siedlungsgebiet
anweisen ließ. Sie kamen „ad retinendam coronam"
zum Schutze der Krone, also des Landes - und der König erhoffte sich von ihnen
wesentlich höhere Steuern, bessere Methoden des Ackerbaues,
gute Handwerker und eine Belebung des Handels.
- Diese Erwartungen gingen auch trotz der geringen Zahl der
neuen Ansiedler voll in Erfüllung. Karl Kurt Klein ,
dem wir die jüngsten Korrekturen an unserem Geschichtsbild verdanken,
schätzt die Zahl der ersten Ansiedler im Altland um Hermannstadt
nicht auf 300.000 Menschen, sondern nur auf bescheidene 500 Familien,
also 2000 -3000 Personen!
- Noch von einer weiteren romantischen Vorstellung unserer Eltern und
Großeltern müssen wir uns trennen. Sie kommt in einem Lied des
19. Jahrhunderts vor und heißt: „Wo gibt's ein adliger Geschlecht,
da keiner Herr und keiner Knecht?" - Schon für die
ersten Ansiedler stimmt diese Behauptung nicht. Unter ihnen befanden
sich nicht nur Gemeinfreie, sondern auch Vertreter des niederen Adels,
die „Gräven", die ihre Anführer stellten. Diese Gräven haben dazu beigetragen,
dass die Siedler eine besondere Rechtsstellung erhielten und haben sich auch
sonst große Verdienste um sie erworben. Erst dreihundert Jahre nach
der Ansiedlung, als die Gräven über gemeinfreie Bauern wie der
ungarische Adel über seine Leibeigenen und Grundhörigen herrschen wollten,
wurden sie ausgeschieden; sie mussten entweder auf ihre adligen
Vorrechte verzichten oder den Königsboden verlassen. Und auch dann
gab es noch eine klare ständische Gliederung, in der man allerdings
durch Leistung als Freier aufsteigen konnte.
- Über die Zeit der Ansiedlung besitzen wir keinerlei schriftliche Nachrichten.
Aus dem Andreanischen Freibrief des Jahres 1224 wissen wir, dass die Siedler
in den Jahren 1141 - 1162 in das Gebiet der Hermannstädter Provinz gerufen wurden.
Der Versuch, für sie ein eigenes Bistum zu errichten, scheiterte am
Widerstand des Bischofs von Siebenbürgen. Stattdessen wurde vor 1191 eine
freie Propstei in Hermannstadt gegründet, die unmittelbar dem Erzbischof
von Gran (Esztergom), dem Primas der katholischen Kirche in Ungarn, unterstand.
Durch Innenkolonisation, wahrscheinlich auch verstärkt durch neue Zuzüge,
entstanden im mittleren Siebenbürgen und im Unterwald weitere Ansiedlungen,
die nicht mehr dem Hermannstädter Propst, sondern dem Bischof von Siebenbürgen
kirchlich unterstellt waren. Sie bildeten politisch nach 1224 die erweiterte
Hermannstädter Provinz, die später das Gebiet der Sieben Stühle hieß.
Wann im Nösnerland und im Reener Ländchen Nordsiebenbürgens westliche
Ansiedler ihre Dörfer gründeten, ist nicht eindeutig nachzuweisen.
Mehrere Forscher halten sie für älter als die Dörfer der
Hermannstädter Provinz; die Nachweise sind aber nicht eindeutig.
- Woher stammen die Siebenbürger Sachsen?
- Die Ansiedlung von Deutschen in Siebenbürgen ist kein isolierter Vorgang,
sondern Teil der deutschen Ostkolonisation, zu einem Zeitpunkt, als das
Erzbistum Magdeburg Zentrum der Neubesiedlung war. Die gleichen Ursachen,
die deutsche Bauern, Ritter und Kaufleute im Westen bewogen, die alte Heimat
zu verlassen und in das heutige Mitteldeutschland, nach Brandenburg, Pommern
oder Schlesien zu ziehen, treffen auch für die Vorfahren des in Siebenbürgen
entstandenen deutschen Neustammes zu.
- Noch vor dem Ersten Weltkrieg hofften sächsische Wissenschaftler herauszufinden,
aus welchem Dorf oder welcher Landschaft die Einwohner einer bestimmten
sächsische Gemeinden stammen. Die nächste Forschergeneration musste erkennen,
dass dies wohl nicht möglich sein wird.
- Aus der Zeit der Ansiedlung ist keine Urkunde erhalten geblieben, aus der wir
etwas über die Herkunft der Ansiedler in Siebenbürgen erfahren könnten.
Wir müssen deshalb indirekte Beweismittel heranziehen.
Solche können sein: ihr Name, ihre Mundart, ihre alten Sitten, Bräuche,
Rechtgewohnheiten, die Agrarverfassung u. ä., sowie wahrscheinlich aus
der alten Heimat mitgebrachtes Schriftgut.
- Zu den einzelnen „Beweismitteln" ist folgendes zu sagen:
Der Name Siebenbürger Sachsen führt uns nicht weiter. Es stellt sich
nämlich heraus, dass die Ansiedler in den ältesten Urkunden anders heißen.
Die ältesten päpstlichen Urkunden bezeichnen sie als Flanderer, Flamen.
Wir wissen heute, dass einige (alt)französisch sprechende Wallonen unter
den Ansiedlern waren. Beide Gruppen haben aber sicher nicht
die Hauptmasse der Siedler gestellt.
- Im Andreanischen Freibrief heißen die Ansiedler der Hermannstädter
Provinz einfach „Unsere getreuen deutschen Gastsiedler".
Die Ansiedler selbst haben sich bis ins 18. Jahrhundert auch so bezeichnet.
Bei der Reformation nannten sie ihre neuen kirchlichen Bestimmungen die
„Kirchenordnung aller Deutschen in Siebenbürgen.
Die Ortsnamen, die sie selbst gaben, heißen Deutschtekes,
Deutschzepling, Deutschweißkirch usw.
- Nun waren unter den ersten Ansiedlern sicher auch Niedersachsen.
Darauf weisen jedenfalls gewisse mundartliche Merkmale hin.
Vieles spricht auch dafür, dass die ersten Bergleute in Siebenbürgen aus
Sachsen - dem Bergbaugebiet am Harz - stammen. Sicher ist: Der Name Sachsen
wurde den deutschen Siedlern von den Ungarn gegeben. Wir müssen demnach
feststellen, dass uns der Name der Siebenbürger Sachsen bei der Suche
nach der „Urheimat" nicht weiterhilft.
Kann uns die Mundartforschung hier unterstützen? Die „Nösner Germanistenschule"
und deren Hauptvertreter, der Klausenburger Professor Gustav Kisch und der
Debreziner Germanist Prof. Richard Huß befassten sich schon in ihren
Doktorarbeiten vor über siebzig Jahren mit dieser Frage. Sie bezeichneten
Luxemburg als die Urheimat der Siebenbürger Sachsen. Heute gilt als gesichert,
dass die Mundarten seit der Einwanderung im 12. Jahrhundert erhebliche Wandlungen
mitgemacht haben. Sowohl das Siebenbürgisch-Sächsische als auch das Luxemburgische
sind Reliktmundarten, die dem Einfluss des Hochdeutschen weniger ausgesetzt
waren als andere. Sie haben auch sehr viel Gemeinsames. Im 12. Jahrhundert war
aber die Mundart, aus der sich beide entwickelten, viel weiter verbreitet als heute.
Wir müssen deshalb das ganze Gebiet des früheren Kölner Erzbistums, zu dem auch das
Bistum Lüttich im Flämischen gehörte, mit Hunsrück, Westerwald bis ins Westfälische
und das Bistum Trier als mögliche Urheimat ansehen.
- Man hat versucht, eine Antwort auf die Herkunftsfrage zu finden durch den Vergleich
bäuerlicher Bauweisen, der Agrarverfassungen, der Rechtsbräuche u. a. m. Eine
genauere Lokalisierung, als es durch die Mundartforschung möglich war,
gelang bisher noch nicht.
- Unter denjenigen, die sich mit den religiösen Überlieferungen befassten,
hat Karl Reinerth die Frage der Herkunft am gründlichsten untersucht.
Er sagte sich: Die Auswanderer haben als gläubige katholische Christen sicher
aus der alten Heimat bestimmte Formen des Gottesdienstes und der Heiligenverehrung,
vielleicht sogar Meß- und Gebetbücher mitgenommen. Aus den ältesten erhaltenen
kirchlichen Büchern in Siebenbürgen hat er in mühsamer Kleinarbeit die ältesten
Teile herausgeschält und mit denen westlicher Bücher dieser Zeit verglichen.
Er bestätigt im Wesentlichen die Feststellungen der Mundartforscher und
stellt fest: Die Hauptmasse der Siedler dürfte aus dem Gebiet des Kölner
Großschenk in Siebenbürgen zur Zeit des Baues der romanischen Basilika.
Erzbistums stammen. Sie hielten sich aber wahrscheinlich mehrere Jahre in
einer „Zwischenheimat" im Gebiet des Erzbistums Magdeburg auf. Von dort zogen
sie nach Meinung des Sprachforschers Ernst Schwarz über Schlesien und die
Ober Zips nach Siebenbürgen. Darauf weist auch die enge Verwandtschaft mit
der Mundart der Zipser Sachsen hin (die Zips liegt in der heutigen Slowakei
und war früher ungarisches Staatsgebiet).
-Spätere Zuzüge auf anderen Wegen sind wahrscheinlich. In Siebenbürgen
selbst dürften vor allem Deutsche aus Gemeinden minderen Rechts nach Dörfern
des Königsbodens umgezogen sein.
In jahrhundertelangem Zusammenleben wuchsen sie zu einer festen Gemeinschaft,
den Siebenbürger Sachsen, zusammen, die bis vor hundert Jahren (1876) auch ein
eigenes autonomes Gebiet mit eigener Verwaltung und Rechtsprechung besaß.
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